Nephrologie und Dialyse in Hennef, Eitorf, Brake, Hagen im Bremischen, Höchstadt und Fürth
Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert nicht nur Atemwege und Lungen. Eine Studie im New England Journal of Medicine (2020: DOI: 10.1056/NEJMc2011400) zeigt, dass sich die Viren auch in Pharynx, Herz, Leber, Gehirn und insbesondere in den Nieren ausbreiten.
Rechtsmediziner des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) verfügen auch international mit über die größten Erfahrungen in der Autopsie von Patienten, die nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 an COVID-19 gestorben sind. Bei 22 Verstorbenen wurde die Viruslast in Gewebeproben aus 7 verschiedenen Organen bestimmt.
Die höchste Konzentration von SARS-CoV-2-Kopien pro Zelle wurde in den Atemwegen nachgewiesen. In geringerer Menge war die Virus-DNA aber auch in Nieren, Leber, Herz, Gehirn und Blut nachweisbar. Das SARS-CoV-2 sei deshalb kein reines Atemwegsvirus, sondern ein „Multiorganvirus“, findet Tobias Huber, Direktor der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik am UKE.
Da die Nieren zu den häufigsten Zielen von SARS-CoV-2 gehören, haben die Forscher am Computer eine „in silico“-Analyse zu öffentlich verfügbaren Datensätzen zur Einzelzell-RNA-Sequenzierung durchgeführt. Diese Untersuchungen zeigen, welche Proteine in den einzelnen Zellen gebildet werden.
In den Nieren gehören dazu das Angiotensin-Converting-Enzym 2 (ACE2), an das SARS-CoV-2 auf der Zelloberfläche „andockt“, sowie die Transmembranserinprotease 2 (TMPRSS2) und Cathepsin L (CTSL), die für den Eintritt in die Zelle benötigt werden. Die RNA der 3 Gene wurde in verschiedenen Zelltypen der Niere gebildet.
Bei 6 Verstorbenen haben die Forscher die SARS-CoV-2-Viruslast in verschiedenen Abschnitten der Nieren quantifiziert. Bei 3 Patienten wurde überall SARS-CoV-2 nachgewiesen. Die höchste Viruskonzentration wurde in den Glomeruli gefunden, aber auch in Cortex, Medulla und im tubulo-interstitiellem Kompartiment waren Virusgene nachweisbar.
Die Forscher konnten die Virus-RNA und Virusproteine mit in-situ-Hybridisierung und indirekter Immunfluoreszenz auch in Gewebeschnitten der Nieren und der Lungen sichtbar machen.
Die Befunde erklären für Huber, warum es bei COVID-19 häufig zu einer Nierenschädigung kommt. Bis zu 50 % der Patienten erleiden ein akutes Nierenversagen. Zu den Folgen einer Niereninfektion gehören bei vielen Patienten auch Proteinurie, Hämaturie oder andere auffällige Harnbefunde, auf die chinesische Forscher jüngst im Journal of the American Society of Nephrology (JASN 2020; DOI: 10.1681/ASN.2020030276) hingewiesen hatten. Das Ausmaß der Veränderungen korrelierte dort mit dem Schweregrad von COVID-19. Die UKE-Mediziner wollen jetzt zusammen mit anderen deutschen Kliniken in einer Studie untersuchen, ob Harntests als Frühwarnsystem für schwere COVID-19-Verläufe dienen können.
Der ausgeprägte Organtropismus sollte nach Ansicht der UKE-Mediziner auch bei der Nachsorge der überlebenden Patienten beachtet werden. Die Patienten müssten sehr sorgfältig auf mögliche Folgeerkrankungen in den einzelnen Organsystemen untersucht werden.
Die Studie bestätigte außerdem die Bedeutung der Vorerkrankungen für den Verlauf von COVID-19. Es bestand nämlich eine Korrelation zwischen dem Virusbefall der Organe und der Komorbidität der Patienten. In einer zuvor veröffentlichten Studie hatten die UKE-Wissenschaftler bereits festgestellt, dass fast alle Patienten, die an COVID-19 gestorben waren, Vorerkrankungen beispielsweise des Herz-Kreislauf-Systems oder der Lunge hatten.
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